UNODC-Bericht warnt vor Rückschritten in der Drogenkontrolle

Anstieg bei Koka- und Opiumanbau gemeldet

NEW YORK, 26. Juni 2008 - Der Exekutivdirektor des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), Antonio Maria Costa, stellt heute den Weltdrogenbericht 2008 vor. Der Bericht konstatiert eine Gefährdung der zueltzt festgestellten Stabilisierung auf den weltweiten Drogenmärkten. Eine starker Anstieg bei Koka- und Opiumanbau sowie die Gefahr größeren Drogenmissbrauchs in Entwicklungsländern untergraben die Fortschritte, die unlängst bei der Drogenkontrolle verzeichnet werden konnten.

Nicht einmal 5 % aller Erwachsenen nehmen Drogen

Der Drogenbericht der UNODC stellt fest, dass statistisch gesehen weniger als eine von zwanzig Personen (im Alter von 16 bis 64 Jahren) in den letzten 12 Monaten zumindest einmal Drogen konsumiert hat. Besonders gefährdete Drogenkonsumenten (stark Drogenabhängige) machen dabei weniger als ein Zehntel dieses ohnehin niedrigen Prozentsatzes aus: 26 Millionen Menschen, etwa 0,6% der erwachsenen Bevölkerung der Erde.

"In den letzten Jahren wurde bei der Drogenkontrolle Beeindruckendes geleistet, besonders im Vergleich zu anderen psychoaktiven Substanzen", so der UNODC-Leiter. Durch Tabakkonsum sterben pro Jahr 5 Millionen Menschen, durch Alkohol etwa 2,5 Millionen; durch illegale Drogen sterben weltweit etwa 200 000 Personen. "Die Drogenkontrolle hat zu wichtigen Ergebnissen geführt: Heroin, Kokain und synthetische Drogen, obwohl verheerend für den einzelnen Konsumenten, hatten keine so ernsthaften Auswirkungen auf die Volksgesundheit wie Tabak und Alkohol", so Antonio Maria Costa. Dennoch mahnte er, dass "wir künftig noch mehr Eigeninitiative ergreifen müssen. Drogenlieferungen aus Afghanistan und Kolumbien haben in letzter Zeit stark zugenommen und könnten aufgrund niedrigerer Preise und der größeren Reinheit der Drogen die Abhängigkeitsrate in die Höhe treiben."

Die Drogenkontrolle hat gegriffen

Die systematische internationale Drogenkontrolle wurde im Laufe eines Jahrhunderts aufgebaut. Am Beginn stand die 1909 in Schanghai gegründete Kommission zur Kontrolle des Opiumhandels. Der diesjährige Weltdrogenbericht hält Rückschau auf 100 Jahre Drogenpolitik. Er zeigt, dass verglichen mit der Zeit vor 100 Jahren die weltweite Opiumproduktion um etwa 70% niedriger ist, obwohl sich die Weltbevölkerung im gleichen Zeitraum vervierfacht hat. Der Bericht untersucht auch die Entwicklung der Drogentrends nach einer Sondersitzung der Generalversammlung (UNGASS) im Jahr 1998, bei der die Länder aufgefordert wurden, sich stärker für die Drogenkontrolle einzusetzen. "Einschlägige Statistiken zeigen, dass das Drogenproblem im Laufe der letzten 100 Jahre drastisch verringert wurde und sich in den vergangenen 10 Jahren stabilisiert hat", so Costa.

Starker Anstieg bei Heroinlieferungen und Kokaanbau in von Aufständischen kontrollierten Gebieten

Doch der Weltdrogenbericht 2008 warnt vor einem seit Kurzem verzeichneten Anstieg bei Drogenlieferungen. Afghanistan hatte 2007 eine Rekordernte bei Opium: Als Folge davon hat sich die weltweite illegale Opiumproduktion seit 2005 beinahe verdoppelt. Der Großteil (80%) wurde in fünf südlichen Provinzen angebaut, in denen die Taliban vom Drogenhandel profitieren. Im übrigen Land geht der Opiumanbau entweder zu Ende oder er bewegt sich auf ein niedrigeres Niveau zu. "Größere Stabilität und umfangreichere Wirtschaftshilfe lassen Opium in vielen afghanischen Provinzen verschwinden. In den südlichen, von den Taliban kontrollierten Gebieten müsse man den Kampf gegen Drogen mit dem Kampf gegen die Rebellen koordinieren", bemerkt Costa.

Ungeachtet des bedeutenden Anstiegs beim Kokaanbau blieb die Kokainproduktion in Kolumbien (größter Kokainproduzent der Welt) unverändert, da durch die Kultivierung peripherer Anbauflächen - kleiner, vereinzelter Felder in entlegenen Gebieten - die Ernteerträge geringer ausfielen. "In den letzten Jahren hat die kolumbianische Regierung die im großen Stil angelegten Kokafelder durch massives Besprühen aus der Luft vernichtet. Fraglos war es ein erfolgreicher Feldzug gegen bewaffnete Gruppen sowie Drogenhändler. Da die FARC sich in Auflösung befindet, wird es vielleicht in Zukunft einfacher sein, den Kokaanbau zu kontrollieren", so Costa.

Cannabis- und Amphetaminmärkte sind stabil

Der weltweite Cannabismarkt ist stabil oder sogar leicht im Sinken begriffen. Die Produktion von Cannabiskraut sank gegenüber 2004 um schätzungsweise 8%, die Produktion von Cannabisharz verringerte sich zwischen 2005 und 2006 um etwa 20%. Dennoch gibt es beunruhigende Tendenzen: Afghanistan stieg zu einem wichtigen Produzenten von Cannabisharz auf und überholte möglicherweise Marokko. In entwickelten Ländern führte Cannabisanbau in Gewächshäusern zu Pflanzen mit höherer Konzentration von THC. Der durchschnittliche Gehalt von psychoaktiver Substanz verdoppelte sich auf dem amerikanischen Markt zwischen 1999 und 2006 von 4,6% auf 8,8%.

Der Konsum von amphetaminartigen Aufputschmitteln wie Methamphetamin und Ecstasy hat sich seit 2000 global stabilisiert. Dennoch sind Produktion und Konsum in Ost- und Südostasien weiterhin ein großes Problem, und im Nahen und Mittleren Osten beginnen sich Märkte zu entwickeln.

Neue Drogenhandelsrouten

Der Bericht bestätigt, dass es eine systemische Verlagerung bei den großen Drogenhandelsrouten gab, insbesondere für Kokain. Wegen gleichbleibenden Kokainbedarfs in Europa und wirksamerer Verbotsmaßnahmen an den traditionellen Routen haben die Drogenhändler Westafrika ins Visier genommen. Gesundheit und Sicherheit in der Region sind gefährdet. "Staaten in der Karibik, in Mittelamerika und Westafrika sowie auch die Grenzgebiete von Mexiko sind im Kreuzfeuer zwischen den größten Kokaproduzenten der Welt (Andenländer) und den größten Konsumenten (Nordamerika und Europa) gefangen", warnte Costa. "Drogengeld korrumpiert Regierungen und dient sogar zur Finanzierung von Terroristen: Förderung der Rechtstaatlichkeit ist der beste Weg zur Bekämpfung des Drogenhandels."

Der Weltdrogenbericht 2008 lässt die Befürchtung erkennen - allerdings noch nicht den Nachweis -, dass Drogenmärkte in Entwicklungsländern entstehen. "Die Bedrohung armer Länder ist mit Sicherheit gegeben. Schwache Regierungen können mit dem Ansturm mächtiger Drogenbarone und mit der Drogenabhängigkeit nicht umgehen. Dem Angriff muss man mit technischer Unterstützung, besserer Vorbeugung und besseren Therapien zuvorkommen sowie mit vermehrter Kooperation in der Strafverfolgung", so der UNODC-Direktor.

Stärkere Konzentration auf Gesundheit und Menschenrechte

Costa verwies darauf, dass Mittel für die öffentliche Sicherheit bei weitem die Ausgaben für das Gesundheitswesen übertreffen, und forderte eine stärkere Konzentration auf die Gesundheit - das oberste Prinzip der Drogenkontrolle. "Drogenabhängigkeit ist eine Krankheit, der man vorbeugen und die man behandeln sollte wie jede andere", so Costa.

Der Exekutivdirektor der UNODC verwies auf den 60. Jahrestag der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und rief zur Achtung der Menschenrechte auch in der Drogenkontrolle auf. Er sprach sich für die Menschenrechte von Drogenabhängigen aus und gegen die Todesstrafe für Drogendelikte. "Obwohl Drogen töten, sollten wir nicht wegen Drogen töten", so Costa.